Sonnenau

Sonnenau, auch Der rote Vogel (schwedisch Sunnanäng) ist eine Geschichte von Astrid Lindgren.

Handlung

Die Eltern der kleinen Geschwister Anna und Mattias sind verstorben. Deshalb leben sie auf dem Hof des Myrabauern. Der Myrabauer nutzt die beiden nach Strich und Faden aus. Sie müssen hart arbeiten. Spielen dürfen sie nicht. Daher freuen sie sich schon auf die Schule, die sie ab dem Winter besuchen dürfen. In der Schule hoffen sie, sich nicht mehr wie zwei graue Mäuse zu fühlen. Doch kaum hat die Schule begonnen stellen sie fest, dass es auch in der Schule nicht anders wird.

Gerade, als Anna diese Feststellung auf ihrem Heimweg ausspricht, erscheint ein roter Vogel. Die beiden Kinder folgen dem Vogel. Dieser führt sie in ein warmes, schönes Land namens Sonnenau. In diesem gibt es ganz viele Kinder, die mit Anna und Mattias spielen. Dort gibt es auch eine Mutter, die die Mutter aller Kinder ist, auch die Mutter von Mattias und Anna. Die Geschwister haben viel Spaß in dem Land, machen sich aber bald auf den Heimweg. Sie erfahren, dass die Pforte zu ihrem Heimatland, wenn sie einmal geschlossen ist, nie wieder geöffnet werden kann. So gehen Anna und Mattias immer wieder nach der Schule nach Sonnenau. Auch an ihrem letzten Schultag gehen sie dorthin. Sie schließen die Pforte und beschließen, für immer dort zu bleiben.

Veröffentlichungen

1959 wurde Sonnenau in dem schwedischen Buch Sunnanäng (deutsche Ausgabe: Klingt meine Linde) mit mehreren Kurzgeschichten erstveröffentlicht. Dieses Buch illustrierte Ilon Wikland.[1] Später wurde das Buch in Schweden als einzelnes Bilderbuch herausgebracht, illustriert von Marit Törnqvist. In Deutschland erschien das Bilderbuch erstmals 2003 beim Oetinger Verlag.[2] Es wurde von Anna-Liese Kornitzky ins Deutsche übersetzt. 1992 wurde die Geschichte vom Verlag Deutsche Grammophon auf Kassette veröffentlicht. Der Erzähler ist Manfred Steffen.[3]

Interpretation

Astrid Lindgren schrieb einst: „Sicher glaubt ein erwachsener Leser, auch ich, [...] dass Mattias und Anna der Winterkälte zum Opfer fallen, bevor sie ihre Sonnenau erreichen. Aber alle Kinder – auch das Kind in mir – wissen, dass es nicht so ist. [...] Mattias und Anna verschließen lächelnd die Pforte, die die Kälte und Dunkelheit des Winterwaldes von der Sonnenau des ewigen Frühlings trennt.“ Damit nennt Lindgren zwei Interpretationsmöglichkeiten, die der Erwachsenen und der Kinder, gleichzeitig spricht sie vom Glauben der erwachsenen Leser und dem Wissen der kindlichen Leser. Susanne Gascke von der Zeit interpretiert es so, dass Erwachsene „diese Illusion von – oder die berechtigte Hoffnung auf? – Erlösung“ nicht zerstören dürften. Hingegen könnten sie als „Desillusionierte und Hoffnungslose“, von ihren Kindern wieder lernen, wie sie glauben können, dass es ein glückliches Ende für die Kinder gibt.[4]

Ausstellungen, Projekte und Workshops

Das Buch Sonnenau wurde für Projekte in verschiedenen Ländern genutzt.

Das Urheberrecht des Buches im Iran wurde dem Koodaki Institut für die Erforschung der Geschichte der Kinderliteratur von Marit Törnqvist und der Familie von Astrid Lindgren geschenkt. Das Institut nutzt das Buch für das Read with Me-Projekt in Gebieten des Irans, in denen Kinder einen schlechteren Zugang zu Bildung haben. Im Read with Me-Projekt werden beispielsweise Geschwister dazu animiert, sich einander Geschichten vorzulesen oder Kinder werden dazu angeleitet ihre Bücher mit anderen Kindern zu teilen. So soll ihnen geholfen werden wichtige Kompetenzen, die sie für die Schule brauchen, zu erlernen.

Illustratorin Marit Törnqvist nutzte das Buch bei Workshops für verschiedene Kindergruppen in Isfahan und Teheran. Diese sollten benachteiligten Kindern das Lesen näher bringen.[5]

In Schweden wurde das Buch, in der arabischen Fassung, an 30.000 Flüchtlingskinder verschenkt. Das Projekt wurde von der Saltkråkan AB, der Firma der Familie von Astrid Lindgren, und dem Kinderbuchverlag Rabén & Sjögren initiiert. Es entstand in Zusammenarbeit mit der Migrationsagentur und Save the Children. Die Initiative für das Projekt stammte von Marit Törnqvist. Diese besuchte einen Asylunterkunftskomplex und brachte eine Kopie des ins Arabische übersetzten Buches mit. Die Reaktionen von Erwachsenen und Kindern waren sofort spürbar – sie blätterten herum, lasen, deuteten und lachten. Sie war der Meinung, dass das Buch allen Arabisch sprechenden Kindern in ihrer eigenen Sprache als Willkommensgeschenk übergeben werden sollte. Sie hoffe, dass Schweden für die Kinder auch eine Art von Sonnenau werde.[6]

In Marburg wurde das Buch für die Veranstaltung Deutsche und arabische Kinder lesen ein Märchen von Astrid Lindgren genutzt, in der unter anderem Kontakt zwischen deutschen und arabischen Kindern gefördert wurde.[7]

Törnqvists Illustrationen für das Buch wurden in verschiedenen Museen und Bibliotheken ausgestellt. Darunter waren die New York Public Library, das Canoon Cultural Centre im Iran, das schwedische Museum Näktergalen, die Bibliotheek Rotterdam, das CODA Museum in Apeldoorn, die Openbare Bibliotheek Amsterdam und das Rathaus in Aalsmeer.[8]

Rezeption

Sonnenau ist Namensgeber einiger deutscher Einrichtungen, wie Familienzentren,[9] Kindergärten[10] oder Hospizen.[11][12]

Sonnenau bekam überwiegend positive Kritiken, wenngleich sich Kritiker uneinig über die Interpretation des Endes sind. Auch über das Alter, in dem Kinder die Geschichten lesen sollten besteht keine einheitliche Meinung. Kirikus Reviews empfiehlt das Buch beispielsweise für Kinder von acht bis zehn Jahren[13] und Ikvindlezenleuk.nl ab sechs Jahren,[14] während Kinderbuchlesen.de es für Kinder von vier bis sechs Jahren empfiehlt.[15]

Axel Schmitt findet, Sonnenau sei „eine sehr traurige Geschichte, die gleichwohl zu den besten Märchen aus Astrid Lindgrens Feder“ gehöre, die „bezaubernden Illustrationen von Marit Törnqvist“ seien die „kongeniale Umsetzung dazu“. Er meint: „Wie Sonne gehört auch Schatten zum Leben, zum Lachen auch unerträgliches Leid; genau das erzählt Astrid Lindgren so schlicht und ergreifend, dass es für Kinder begreifbar wird und sie lernen können, dass Phantasie manch schlechte Zeit erträglicher macht.“[16]

Swantje Thiele meint, dass Sonnenau „in einer märchentypischen, bildhaften Sprache geschrieben“ sei. Das „Motiv des Todes“ werde „so auf subtile Art und Weise behandelt, da die Geschehnisse grundsätzlich verschiedene Interpretationen“ ermögliche. Außerdem sei der Tod in dem Märchen „gleichzeitig mit Hoffnung und Wunder verbunden.“ Das Märchen mache deutlich, dass „Fantasie dem Menschen in schweren Zeiten helfen“ könne. Das Märchen sei sowohl für Kinder als auch Erwachsene lesenswert. Es rege zum Weiterdenken an.[17]

The Bulletin of the Center for Children's Books lobt Törnqvists Illustrationen: „Ölillustrationen in kalten und grauen Erdtönen unterstreichen die Trockenheit des Lebens der Kinder mit dem Bauern und bilden einen lebhaften Kontrast zu den lichtdurchfluteten Gemälden von Sonnenau, die in Grün und Gold getränkt sind und von Scharlachrot berührt werden.“[18]

Literatur

  • Sten Wistrand: Astrid Lindgrens ”mest problematiska bok”. Ontologi, genre och funktion i Sunnanäng, Beitrag aus einem schwedischen Literaturmagazin mit einer ausführlichen Interpretation der Geschichte, veröffentlicht von der Universität in Uppsala
  • Asplund Ingemark, Camilla: The Chronotope of the Legend in Astrid Lindgren's Sunnanäng. In: Genre – Text – Interpretation: Multidisciplinary Perspectives on Folklore and Beyond, Hrsg. von Kaarina Koski, Ulla Savolainen. BoD – Books on Demand, 2019. S. 232 – 250, ISBN 9789522227386 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Ying Toijer-Nilsson: Sunnanäng Törnqvists bilder bäst i det grå, schwedischsprachrige Kritik im Svenska Dagbladet

Einzelnachweise

  1. Sunnanäng. Abgerufen im 1. Januar 1 
  2. Sonnenau. Abgerufen im 1. Januar 1. 
  3. Astrid Lindgren (Deutsche Grammophon). Abgerufen im 1. Januar 1 
  4. Astrid Lindgren: Die Frau, die immer Kind blieb. Abgerufen im 1. Januar 1 
  5. Workshops with children in Tehran and Isfahan by Marit Törnqvist. Abgerufen im 1. Januar 1 
  6. 30,000 books by Astrid Lindgren and Gunilla Bergström to refugee children in Sweden. Abgerufen im 1. Januar 1 
  7. Sonnenau – Der rote Vogel - Deutsche und arabische Kinder lesen ein Märchen von Astrid Lindgren. Abgerufen im 1. Januar 1 
  8. Marit Törnqvist heeft deelgenomen aan diverse tentoonstellingen in binnen en buitenland. Hier een selectie. Abgerufen im 1. Januar 1 
  9. 300 Besucher feierten Sonnenau. Abgerufen im 1. Januar 1 
  10. Warum eigentlich Sonnenau? - Ev. Kita Familienzentrum Sonnenau in Erndtebrück. Archiviert vom Original am 15. August 2020; abgerufen am 10. März 2019. 
  11. Haus Sonnenau – hier geht jeden Tag die Sonne auf. Abgerufen im 1. Januar 1 
  12. Im “Sonnenau” tummeln sich die Handwerker. Abgerufen im 1. Januar 1 
  13. THE RED BIRD by Astrid Lindgren, Marit Törnqvist, Patricia Crampton. Kirkus Reviews. Abgerufen im 1. Januar 1 
  14. Astrid Lindgren – De rode vogel (2e recensie). Abgerufen im 1. Januar 1 (niederländisch). 
  15. Astrid Lindgren – Leise Worte voller Trost und Stärke. Abgerufen im 1. Januar 1 
  16. Die kleine Pforte des Paradieses. Astrid Lindgrens "Sonnenau" mit den herausragenden Illustrationen von Marit Törnqvist. Abgerufen im 1. Januar 1 
  17. Lindgren, Astrid: Sonnenau. Archiviert vom Original am 18. Februar 2019; abgerufen am 10. März 2019. 
  18. The Red Bird. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen im 1. Januar 1 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.arthuralevinebooks.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) 
V
Werke von Astrid Lindgren
Reihen/Serien

Kalle Blomquist • Karlsson vom Dach • Kati • Kinder unserer Erde • Lotta aus der Krachmacherstraße • Madita • Michel aus LönnebergaPeter und LenaPippi LangstrumpfTomte TummetottWir Kinder aus Bullerbü

Romane

Britt-Mari erleichtert ihr HerzDie Brüder Löwenherz • Ferien auf Saltkrokan • Kerstin und ichMio, mein MioRasmus, Pontus und der SchwertschluckerRasmus und der LandstreicherRonja Räubertochter

Erzählungen und Märchen
Im Wald sind keine Räuber

Allerliebste Schwester • Im Land der DämmerungKuckuck LustigDie Elfe mit dem Taschentuch • Im Wald sind keine Räuber • Nils Karlsson-DäumlingDie Prinzessin, die nicht spielen wollte • Peter und Petra • Die Puppe Mirabell

Klingt meine Linde

Klingt meine LindeJunker Nils von EkaDie Schafe auf Kapela • Sonnenau

Sammelaugust und andere Kinder

Als Adam Engelbrecht so richtig wütend wurde • Etwas Lebendiges für den lahmen Peter • Goldi • Große Schwester, kleiner BruderGute Nacht, Herr Landstreicher!Märit • Pelle zieht aus • Polly hilft der Großmutter • SammelaugustUnterm KirschbaumWer springt am höchsten?

Weitere

Als der Bäckhultbauer in die Stadt fuhrDer Drache mit den roten AugenNein, ich will noch nicht ins Bett!Der Räuber Assar Bubbla • Rupp Rüpel: das grausigste Gespenst aus Småland • Weihnachten im Stall

Bücher aus Buchreihen

Ich will auch Geschwister habenIch will auch in die Schule gehenLotta kann fast allesLotta zieht umNa klar, Lotta kann radfahren

Fotobücher

Japi aus HollandJule und die SeeräuberLasse aus DalarnaLilibet, das ZirkuskindMarko in JugoslawienMatti aus FinnlandNoriko-SanRandi aus NorwegenSia wohnt am KilimandscharoWanthai aus Thailand

Übrige Publikationen

Deine Briefe lege ich unter die MatratzeEin Weihnachten in Småland vor langer ZeitDas entschwundene Land • Eine Reise in Geschichten: von Junibacken bis Nangilima • Ich habe auch gelebt!Meine Kuh will auch Spaß habenMein SmålandDie Menschheit hat den Verstand verlorenNiemals Gewalt!Pomperipossa in MonismanienWäre ich Gott

Lieder

Alle gehen schlafenHey, Pippi LangstrumpfIdas sommarvisaSjörövar-Fabbe

Normdaten (Werk): GND: 1202147860 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 181420004